
Auslotung einer komplexen Wirklichkeit
Die Welt scheint heute zunehmend kompliziert und beschleunigt. Zwischen vielerlei neuen Möglichkeiten scheint Orientierung nahezu aussichtslos. Spürbar entwickelt sich ein allgegenwärtiges Gefühl von Verunsicherung durch sich immer schneller stellende und sich überlagerende Herausforderungen. Als Reflex zeigt sich Vereinfachung und Flucht in die Illusion eines vorgeblich besseren Gestern. Überall ist ein heftiger Impuls zur Zuspitzung im gesellschaftlichen Dialog zu erleben, der zunehmend in unversöhnlichen Kontrapositionen mündet. In einer Zeit geradezu unüberschaubarer existenzieller Herausforderungen verdrängt die unreflektierte Parole das durchdachte Argument.
In solcher Epoche der Extreme, in dem das Gefühl in häufig zerstörerischer Form prägend wirkt, versucht sich meine Kunst dieser komplexen Wirklichkeit zu stellen. Die so entstehenden Bilder handeln von einem Hier und Jetzt, das sich immer bewusst zu werden versucht auf welchem Grund es gewachsen ist. Ich will verstehen, um mit nüchternem Blick ein geglückteres Morgen zu denken, zu gestalten, zu leben. Als Kind war mein frühester Berufswunsch die Archäologie. Es war wohl die Neugierde etwas über verborgene Wirklichkeiten herauszufinden, zu ergründen wie wir wurden was wir sind. In gewisser Weise habe ich mir mit meiner Kunst diesen frühen Berufswunsch erfüllt. Meine Bildsprache sehe ich als Widerhall empfundener Realitäten, die persönliche Assoziation als Energie, welche Stoffe synthetisiert. Für die hierbei entstehenden Bilder gibt es keine Lesart, welche einzig stimmig wäre. Ich hoffe vielmehr, dass Betrachtende eigene Erfahrungen und Emotionen bei der Begegnung mit meiner Kunst in Bewegung setzen können.

Unerzählt
„Unerzählt“ fasst für mich Haltungen meiner Elterngeneration in einem Bild. Im Prozess der Entstehung erfahre ich über eigene Prägungen.
Leitmotivisch geht es für mich darum, über Geschichte, Alltag, Ereignisse und vieles weitere zu reflektieren und dabei nonverbale Formen der Sprache auszuloten. Sprache, in diesem Sinn, ist eng verknüpft mit Bildern als Figuren der Kommunikation. Es ist kein Zufall, dass sich alle bekannten Schriftsprachen aus Bildzeichen entwickelten. Bilder sind mir, im Umkehrschluss, Vehikel, um Unzulänglichkeiten von Worten zu umschiffen.
Sprache in diesem universellen Sinn sehe ich als mehr denn gesprochenes Wort: Sie bestimmt zutiefst das Schicksal unserer Spezies - gelingt es nicht, sich umfassend zu verständigen, geht diese einer sehr ungewissen Zukunft entgegen. Unterstützt durch das geniale Wunderwerk der menschlichen Hand, bildet Sprache DAS Instrument für ein umfassendes Sein. Ein Vergleich mit der Fotosynthese: Durch einen Trick schafft die Natur, wie aus dem Nichts, Wachstum. Ähnlich generisch lässt sich Welt durch Sprache begreifen und aneignen. Sie findet Eingang in das Sprechen, Schreiben, schafft formend Denken und Fantasie. Den schönsten Ausdruck dafür entdecke ich in einer Pinselzeichnung des schon alten Goya: „Aun aprendo“ (Noch lerne ich) titelte er das Bild eines Greises an Gehstöcken. Das Lernen ist nie abgeschlossen, wir sollten uns jeden Tag einen Schritt vortasten – fassen wir es als Geschenk auf!
Es ist kein Widerspruch zu diesen Versuchen einer Auslotung von Realität, sich deren Hintergrundrauschen ein gutes Stück zu entziehen. Als da wären: Dem überwiegenden Teil der „Sozialen“ Medien. Den Push-Nachrichten (lassen sie sich gerne herumschubsen?), der Allgegenwart einer schreienden Werbewelt. Den Triggern überall, Fressern der Ressourcen von Zeit, Aufmerksamkeit, ja: Seelenfrieden. Es geht dabei nicht um Rückzug, sondern um Wiederaneignung existenzieller Bedürfnisse. Die individuelle Erforschung der Wirklichkeit auf nicht kommerzialisierten und von fremden Interessen vorgezeichneten Wegen ist beinahe Widerständigkeit, wenn nicht gar Subversion. Ich ziehe, als Nahrung für meine Kunst, ein gut recherchiertes und inspiriert geschriebenes Buch der Tagespresse vor, den sorgfältig gemachten Podcast dem Short auf YT. Wie es Joachim Ringelnatz in einem seiner Liebesgedichte zu Papier brachte: „Alles was lange währt, ist leise“.

Brennen - Vergessen - Brennen
Eine meiner Arbeiten, welche sich damit beschäftigt, was zu geschehen droht, wenn Erfahrungen nicht tradiert werden. Dasselbe gilt zum Beispiel auch für „Hope“ (siehe Arbeiten -> Objekte)